Wie du jeden Tag ein bisschen Achtsamkeit üben kannst

Unsere Tipps für einen achtsamen Alltag

Stress ist für viele Menschen Teil ihres Alltags geworden. Leistungsdruck im Job, ständige Erreichbarkeit, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben – ein Tag hat 24 Stunden und doch fühlt es sich manchmal so an, als müssten wir immer mehr in den selben Zeitrahmen packen. 

Bis zu einem gewissen Level ist Stress sogar hilfreich: die ausgeschütteten Hormone helfen uns, wach und konzentriert zu sein. Bleibt die Anspannung jedoch über längere Zeit bestehen, kann sie uns schaden. Gereiztheit, Müdigkeit, Bluthochdruck, chronische Erschöpfung – die Liste der möglichen Folgen ist lang.

Achtsamkeit kann in solchen Situationen helfen, den Stress zu reduzieren. Es ist empirisch nachgewiesen, dass achtsamkeitsbasierte Interventionen einen positiven Effekt auf das psychische Wohlbefinden haben. Ein achtsamer Mensch kann seine Emotionen bewusster verarbeiten, hat sie besser unter Kontrolle und ist weniger impulsiv (1). Im Arbeits- und Organisationskontext konnte belegt werden, dass Achtsamkeit nicht nur eine bessere Bewältigung von emotionalem Stress am Arbeitsplatz zur Folge haben kann, sondern auch zu einer erhöhten Qualität der Arbeitsleistung führt (2).

Was ist Achtsamkeit?

Achtsamkeit (engl. „mindfulness“) beschreibt die bewusste und wertfreie Wahrnehmung des aktuellen Moments, des Hier und Jetzt. Es ist eine offene und neugierige Haltung gegenüber unseren Gedanken, Gefühlen, Körperwahrnehmungen und den Geschehnissen um uns herum. Achtsamkeit setzt dabei den Fokus auf die Gegenwart. Während unser Alltag oft von Multitasking und dem Abhaken von To-Do-Listen geprägt ist, geht es bei der Achtsamkeitspraxis darum wahrzunehmen, was ist und nicht, was sein soll. (3,4)
Dies ist nicht nur in Stresssituationen hilfreich. Es kann uns das Leben auch in vielen anderen Momenten erleichtern. Die Übungen können zum Beispiel dabei unterstützen, Gedankenspiralen und alte Denkmuster zu durchbrechen. Wir können lernen, mit schwierigen Gefühlen umzugehen und die Herausforderungen des Alltags besser zu bewältigen.

Kann man das lernen?

Ja! Vielleicht nicht von heute auf morgen, aber auch schon kleine Übungen können große Veränderungen bewirken und uns helfen, unsere Aufmerksamkeit in die Gegenwart zu lenken. Dabei ist es normal, zwischendurch abzuschweifen und sich nicht ausschließlich auf den aktuellen Moment konzentrieren zu können. Du wirst anfangs wahrscheinlich überrascht sein, wie viele Gedanken dir tatsächlich durch den Kopf gehen. Wir sind es gewohnt, ständig und ohne Pause zu denken. Die Kunst der Achtsamkeit ist es, all dies wahrzunehmen, zuzulassen und es nicht zu bewerten. (5)
Um die Achtsamkeitspraxis zu erlernen, werden verschiedene Arten von Kursen angeboten. Wenn du mit kleinen Schritten beginnen möchtest, haben wir dir in der Folge eine Liste mit alltagstauglichen Übungen für den Einstieg zusammengestellt, die sich ohne große Anleitung umsetzen lassen.
Versuch es einfach mal!

Wege zu mehr Achtsamkeit im Alltag

Bewusst atmen

Es gibt Tage, an denen haben wir so viel zu tun, dass wir gar nicht wissen, wo anfangen. Nacken-, Kopf- oder Rückenschmerzen, Gereiztheit, Müdigkeit oder andere Auswirkungen können Folgen unseres Stresses sein. Nimm dir in mitten der Hektik immer mal wieder einen Moment Zeit, bewusst zu atmen. Nehme drei tiefe Atemzüge, schließe dabei die Augen (falls möglich) und entspanne deine Schultern. Die Konzentration auf eine einzige Tätigkeit, nämlich das Atmen, lehrt uns, aufmerksam zu sein und Innezuhalten.

Mach dir bewusst, was gut für dich ist

Hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, was dir guttut? Nach welchen Tätigkeiten oder Begegnungen du dich voller Energie fühlst und welche du als eher ermüdend oder aufreibend empfindest? Achtsamkeit mit uns selbst beginnt dort, wo wir uns dessen bewusstwerden und uns, wo immer möglich, für die Dinge entscheiden, aus denen wir Kraft schöpfen können. 

Anker setzen

Wenn du einen festen Arbeitsplatz hast und Pflanzen magst ist eine gute Idee, sich ab und zu einen Strauß Blumen zu gönnen und ihn in Sichtweite deines Arbeitsplatzes aufzustellen. Das klappt natürlich auch mit anderen Gegenständen, die uns an die Natur oder schöne Erlebnisse erinnern, z.B. Muscheln vom letzten Strandurlaub oder ein Foto von einem Ausflug mit Familie oder Freunden. Wir setzen uns dadurch einen Anker, durch den wir uns für einen Moment aus dem Alltag „herausbeamen“ können – und das entspannt.

Bewusst essen

Wann hast du das letzte Mal alleine gegessen, ohne dabei parallel TV oder Netflix zu schauen, etwas zu lesen, zu telefonieren, im Internet zu surfen oder dein Handy in der Hand zu haben? Achtsam sein kann auch bedeuten, beim Essen alle Ablenkungen zu ignorieren sich voll und ganz auf seine Sinneswahrnehmungen zu konzentrieren. Wie riecht das Essen? Wie warm oder kalt ist es? Wie ist die Konsistenz? Wie schmeckt es? Probier‘ es mal aus! Du wirst vielleicht überrascht sein, wie viel kleine Details du wahrnehmen wirst, die dir vorher nicht aufgefallen sind.
Fange dabei auch hier klein an, nichts muss. Konzentriere dich auf die kleinen Erfolgserlebnisse und nicht darauf, direkt beim ersten Versuch die ganze Mahlzeit „durchzuhalten“. (6)

Bewusst warten

Jeder hat sich schon mal über unnötige Wartezeiten aufgeregt. Der Zug hat Verspätung, man sitzt seit einer Stunde im Wartezimmer einer Arztpraxis, oder im Büro erscheint niemand zur verabredeten Zeit des Meetings. Das kann ärgerlich sein! 
Aber ändert es etwas an der Situation, wenn wir uns darüber aufregen? Meistens nicht! Achtsamkeit kann auch bedeuten, solche Wartesituationen als Chance zu sehen. Versuche beim nächsten Mal, deinen Fokus zu verändern. Vielleicht kannst du der Situation ja auch etwas Positives abgewinnen. Du kannst zum Beispiel üben, auf deinen Atem zu achten. Oder einfach mal Nichts tun. Auf jemanden zu warten bedeutet letztendlich auch, etwas mehr Zeit für dich alleine zu haben.

Den Tag Revue passieren lassen

Die Hektik des Alltags kann schnell von einem ständigen Drang nach Optimierung geprägt sein: danach, alle To-Dos abzuarbeiten, schneller durch den Stau zu kommen oder im Supermarkt möglichst an der Kasse zu stehen, an der es besonders schnell vorwärts geht…
Nimm dir am Abend vor dem Einschlafen einmal die Zeit, den Tag zu reflektieren. Konzentriere dich dabei auf das Positive: was hat dich heute so richtig gefreut? Was ist dir gut gelungen? Versuch mal, dir jeden Abend drei Dinge aufzuschreiben, die dir heute besonders gutgetan haben.
Durch diese Achtsamkeitsübung schulen wir unsere Wahrnehmung und den Fokus auf das Positive. Wir können lernen, uns selbst gegenüber eine freundliche und wohlwollende Haltung einzunehmen. (6)

Achtsamkeit im Arbeitsalltag

Die oben genannten Tipps sind natürlich längst noch nicht alles, was du zu Thema Achtsamkeit ausprobieren kannst. Aber es kann ein Anfang sein. Das wertfreie Beobachten unserer Gedanken und Gefühle hilft uns, ein besseres Verständnis für uns selbst zu entwickeln und mit den Herausforderungen des Alltags besser umzugehen. Besonders im Arbeitsleben kann das sehr unterstützend wirken, denn hier verbringen wir sehr viel Zeit und unangenehme oder stressige Situationen sind vorprogrammiert. Die geistige Ruhe und Klarheit, die wir durch die Achtsamkeitspraxis fördern können hilft uns, mit schwierigen Gefühlen umzugehen und herausfordernde Situationen besser zu meistern. Es ermöglicht uns ein selbstbestimmtes, der jeweiligen Situation angemessenes Handeln, was die Belastungen im Arbeitsalltag reduzieren und uns letztendlich zu einem besseren allgemeinen Wohlbefinden verhelfen kann. (2,7)

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Quellen:

1.      Shapiro SL, Carlson LE. The art and science of mindfulness: Integrating mindfulness into psychology and the helping professions. [Internet]. Washington: American Psychological Association; 2017 [zitiert 19. November 2018]. Verfügbar unter: http://content.apa.org/books/15990-000
2.      Glomb T, Duffy M, Bono J, Yang T. Mindfulness at Work. In: Research in personnel and human resources management volume 30. Bingley, U.K: Emerald; 2011. S. 115–57.
3.      Kuschel H. Achtsamkeit. In: Frey D, Herausgeber. Psychologie der Werte [Internet]. Berlin, Heidelberg: Springer; 2016 [zitiert 9. Oktober 2018]. S. 13–24. Verfügbar unter: http://link.springer.com/10.1007/978-3-662-48014-4_2
4.      Güntsche LN. Achtsamkeit in digitalen Zeiten [Internet]. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden; 2017 [zitiert 9. Oktober 2018]. Verfügbar unter: http://link.springer.com/10.1007/978-3-658-11090-1
5.      Wolf D. Was versteht man unter Achtsamkeit? [Internet]. Psychologie Lexikon. [zitiert 9. Oktober 2018]. Verfügbar unter: https://www.palverlag.de/lebenshilfe-abc/achtsamkeit.html
6.      Deutsches Fachzentrum für Achtsamkeit. 11 Anleitungen für Achtsamkeitsübungen im Alltag [Internet]. DFME Fachausbildung Stressbewältigung. [zitiert 9. Oktober 2018]. Verfügbar unter: https://www.fachausbildung-stressbewaeltigung-achtsamkeit.de/achtsamkeitsuebungen-im-alltag/
7.      Kirch D. 8 Tipps für Achtsamkeit im Alltag [Internet]. DFME - Deutsches Fachzentrum für Achtsamkeit. 2015 [zitiert 9. Oktober 2018]. Verfügbar unter: https://dfme-achtsamkeit.de/8-tipps-achtsamkeit-alltag/
8.      Anderssen-Reuster U, Bohus M, Reddemann L, Altner N, Herausgeber. Achtsamkeit in Psychotherapie und Psychosomatik. 2., neu bearb. und erw. Aufl. Stuttgart: Schattauer; 2011.
9.      März P. Stressbewältigung durch Achtsamkeit [Internet]. Achtsamkeit im Alltag. [zitiert 14. November 2018]. Verfügbar unter: http://www.achtsamkeit-im-alltag.de/

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