Warum wir uns krank zur Arbeit schleppen

Was ist Präsentimus?

Kennst du das? Du wachst morgens auf, fühlst dich krank, gehst aber trotzdem zur Arbeit. Vielleicht hast du heute einen wichtigen Kundentermin, eine Abgabefrist, oder du möchtest deinen Chef nicht enttäuschen.
Damit bist du nicht allein! Tatsächlich ist das Phänomen, welches in der Fachsprache als Präsentismus bezeichnet wird, in vielen deutschen Unternehmen an der Tagesordnung. Studien haben gezeigt, dass mehr als zwei Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung krank zur Arbeit gehen, jeder Dritte sogar gegen ärztlichen Rat (1). Beschäftigte gehen statistisch gesehen sogar weitaus häufiger krank zur Arbeit, als dass sie sich krankschreiben lassen, um sich zu Hause auszukurieren (2).  

Warum wir krank zur Arbeit gehen 

Doch was hält uns eigentlich davon ab, mit Ingwertee und Wolldecke zu Hause auf der Couch zu bleiben? Die Forschung zeigt, dass hierbei ganz unterschiedliche Motive eine Rolle spielen. Hier einige Beispiele:

Zu viel Arbeit

Zu wenig Personal, knapp bemessene Zeitvorgaben oder ungeplante Zusatzaufgaben können bei Beschäftigen das Gefühl auslösen, die anstehende Arbeit nicht bewältigen zu können. Du warst eh schon knapp dran und nun läuft dir die Zeit davon? Ein Zuviel an Arbeit ist einer der Hauptgründe, krank zur Arbeit zu gehen (3)

Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes

Umstrukturierung und Stellenabbau sind heutzutage für viele kein Fremdwort mehr. Beschäftigte, die sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen, sind eher bereit, trotz Krankheit zur Arbeit zu gehen. Auch die allgemeine Situation auf dem Arbeitsmarkt hat hier einen Einfluss. Wenn die Arbeitslosenquote gering ist, ist die Angst vor Arbeitslosigkeit weniger präsent, als dies bei einer hohen Quote der Fall wäre (3) - und somit auch die Präsentismuszahlen.

Art und Häufigkeit der Erkrankung

Die Grippewelle hat dich schon zum zweiten Mal in diesem Jahr erwischt? Du hast gerade erst eine längere Erkrankung hinter dir und möchtest nicht schon wieder fehlen? Häufigkeit und Art der Erkrankung sind wichtige Faktoren bei der Entscheidung, krank zur Arbeit zu gehen. Besonders, wenn es sich um chronische Krankheiten handelt. 

Loyalität und Pflichtbewusstsein

Die Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber oder auch das Gefühl, Rücksicht auf die Kolleginnen und Kollegen nehmen zu müssen, lassen uns krank zur Arbeit erscheinen. Vielen Menschen fällt es schwer, im Beruf Grenzen zu setzen und auch mal „nein“ sagen zu können. Präsentismus kann auch damit zusammenhängen, dass wir unsere eigenen Bedürfnisse der Arbeit unterordnen.

Umgang im Unternehmen mit Krankheit

In Unternehmen, in denen Überstunden die Regel sind und Gesundheitsthemen generell wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, sind Mitarbeiter eher geneigt, auch bei Krankheit arbeiten zu gehen. Die Unternehmenskultur beeinflusst unser Verhalten, sie gibt Regeln für die Kommunikation untereinander vor und vermittelt zudem, wie in einer Organisation mit Krankheit umgegangen wird. Dein Chef kommt auch mit Fieber ins Büro? Vertretungsregeln im Krankheitsfall existieren nicht? Es gibt eine Belohnung für alle Mitarbeitenden, die im Kalenderjahr keine Krankheitstage genommen haben? Da scheint der Präsentismus vorprogrammiert.

Hast du die ein oder andere Situation schon einmal erlebt? Dann haben wir hier ein paar überzeugende Argumente für dich, beim nächsten Mal zu Hause zu bleiben:
  • Du wirst schneller wieder gesund! 
  • Du verschleppst die Krankheit nicht und verringerst so das Risiko für Spätfolgen wie z.B. einen langfristigen krankheitsbedingten Ausfall (4). 
  • Du kannst so deine Achtsamkeit fördern und lernen, auf die Zeichen zu hören, die dein Körper dir sendet.
  • Du steckst deine Kollegen und Kolleginnen nicht an.
  • Du bist ein gutes Vorbild für andere.

Bevor du dich das nächste Mal krank ins Büro schleppst, denk doch vielleicht noch einmal drüber nach. Kann die Arbeit wirklich nicht bis morgen warten?


Quellenangaben:
1. Zok K. Gesundheitsprobleme von Arbeitnehmern und ihr Verhalten im Krankheitsfall. WIdO-monitor [Internet]. 2008 [zitiert 24. Mai 2018];5(1):1–7. Verfügbar unter: https://www.wido.de/fileadmin/wido/downloads/pdf_wido_monitor/wido_mon_ausg1-2008_0608.pdf
2. Marschall J, Hildebrandt-Heene S, Sydow H, Nolting H-D. DAK-Gesundheitsreport 2016. Analyse der Arbeitsunfähigkeitsdaten. Schwerpunkt: Gender und Gesundheit [Internet]. Rebscher H, Herausgeber. Heidelberg: medhochzwei Verlag GmbH; 2016. 175 S. (Beiträge zur Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung). Verfügbar unter: https://www.dak.de/dak/download/gesundheitsreport-2016---warum-frauen-und-maenner-anders-krank-sind-1782660.pdf
3. Hansen CD, Andersen JH. Going ill to work – What personal circumstances, attitudes and work-related factors are associated with sickness presenteeism? Social Science & Medicine [Internet]. September 2008 [zitiert 31. Mai 2018];67(6):956–64. Verfügbar unter: http://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0277953608002748
4. Hansen CD, Andersen JH. Sick at work--a risk factor for long-term sickness absence at a later date? Journal of Epidemiology & Community Health [Internet]. 1. Mai 2009 [zitiert 31. Mai 2018];63(5):397–402. Verfügbar unter: http://jech.bmj.com/cgi/doi/10.1136/jech.2008.078238


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